Gefährdungsatlas. Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln.

Die Fachpublikation „Gefährdungsatlas. Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln.“ liegt seit Mai 2022 in einer aktualisierten und erweiterten 2. Auflage vor. Der Gefährdungsatlas wird von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) herausgegeben und ist in der Autorinnen- und Autorenschaft des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Medienforschung │Hans-Bredow-Institut (HBI) entstanden.

Die Publikation bietet einen aktuellen, wissenschaftlich fundierten Rahmen über die Herausforderungen und Gefährdungen, welche bei der Etablierung eines intelligenten Chancen- und Risikomanagements im Kinder- und Jugendmedienschutz zu berücksichtigen sind. Zeitgleich dient der Gefährdungsatlas als überblicksartiges Orientierungs- und Nachschlagewerk über mögliche Gefährdungen, aber teilweise auch Chancen für die Entwicklung von Kindern- und Jugendlichen bei der Nutzung digitaler Medien.

Der Gefährdungsatlas – Ausgangspunkt

Die 1. Auflage des Gefährdungsatlas wurde 2019 veröffentlicht. Sie stellt das erste Produkt des bei der BzKJ (zum damaligen Zeitpunkt noch Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, BPjM) als sogenannte ZUKUNFTSWERKSTATT angesiedelten kinder- und jugendpolitischen Strategieprozesses „Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln.“ dar. Ausgangspunkt für die Gefährdungserhebung von Risiken für Kinder und Jugendliche im digitalen Raum im Rahmen des Gefährdungsatlas bilden Beschlüsse der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK). So heißt es in dem im Mai 2018 beschlossenen Bund-Länder-Eckpunktepapier „Kinder- und Jugendpolitik als Aufgabe der Jugendpolitik“ (PDF: nicht barrierefrei):

„Damit der Kinder- und Jugendmedienschutz in einem schnell veränderlichen digitalen Umfeld effektiv auf der Höhe der Zeit gewährleistet werden kann, müssen gleichzeitig künftige Phänomene antizipiert und in den Blick genommen werden. Im Rahmen des durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) koordinierten jugendpolitischen Strategieprozesses werden Bund und Länder einen Gefährdungsatlas im Hinblick auf ein gutes Aufwachsen mit Medien erarbeiten. In den Gefährdungsatlas eingebunden werden sollen die Erfahrungen und Erkenntnisse des Gefahrenmonitorings von jugendschutz.net, der Jugendhilfe, der medienpädagogischen Praxis, der Forschung und die Perspektive der Kinder und Jugendlichen selbst.“

Aktualisierte und erweiterte 2. Auflage

Mit der fortschreitenden Mediatisierung der kindlichen Lebensrealität, den veränderten Nutzungsrealitäten durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, neuen Medienformaten und -phänomenen, der Novelle des Jugendschutzgesetzes und der damit verbundenen Aufgaben der seit Mai 2021 bestehenden Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz wurde eine Aktualisierung und Erweiterung der Publikation erforderlich.

Grundlagen – Nutzung digitaler Medien durch Kinder und Jugendliche

Dem Anspruch folgend, vom Kind aus zu denken, thematisiert die Publikation zunächst die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen sowie ihr Mediennutzungsverhalten.
Erkenntnisse über das Nutzungsverhalten von Heranwachsenden werden entlang einer Alterskohortierung nach Medientätigkeiten strukturiert und in erzieherische Kontexte gesetzt. Die 2. Auflage legt neben einer Grundlagenaktualisierung der Inhalte der 1. Auflage auch einen Fokus auf die Veränderungen der Lebenswelt und des Medienumgangs von Kindern und Jugendlichen durch die Covid 19 Pandemie.

Gefährdungserhebung: 43 Medienphänomene mit Gefahrenpotenzial für Kinder und Jugendliche

In einer Gefährdungserhebung werden 43 Medienphänomene komprimiert dargestellt, welche mit einem Gefahrenpotenzial für eine unbeschwerte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen im digitalen Ram einhergehen können. Gebündelt in einem Werk werden Überblicke von Forschungsständen zu einzelnen Phänomenen geboten, die jedes für sich umfangreiche eigene Forschungsthemen darstellen. Der Gefährdungsatlas ermöglicht Interessierten so einen leichten Einstieg in den bestehenden Erkenntnisstand und zeitgleich einen grundlegenden sowie auch spezifischen, vertieften Fachdiskurs zur dargestellten Bandbreite an Gefährdungen. Einer Kurzbeschreibung eines jeden Phänomens folgen jeweils Fokuspunkte der Fachdiskussion, die Berührungspunkte von Kindern und Jugendlichen, die Vernetzungen mit anderen Medienphänomenen sowie Hinweise auf Vertiefungsliteratur. Im Rahmen der Darstellung der Fachdiskussion und der Berührungspunkte von Kindern und Jugendlichen mit den Phänomenen werden neben den Gefährdungen auch fördernde Funktionen für die Persönlichkeitsentwicklung in den Blick genommen, die gegebenenfalls mit einem Phänomenen assoziiert sind und den kinderrechtlichen Teilhabeanspruch an digitaler Mediennutzung stärken.

Auf Grundlage des kommunizierten Bedarfes aus der – insbesondere (medien-)pädagogischen – Fachszene, wurde die Gefährdungserhebung in der 2. Auflage weiter ausdifferenziert, systematisiert und um inhaltliche Schwerpunkte erweitert. Die Gefährdungserhebung hat somit eine inhaltlich-fachliche und phänomenspezifische Ausdifferenzierung erfahren. Die vorgenommene Erweiterung und Differenzierung der 35 Medienphänomene der 1. Auflage des Gefährdungsatlas verdeutlichen dabei die Relevanz einer fortschreitenden Gefährdungserhebung sowie der Beachtung neuer Forschungserkenntnisse und der Entwicklung der digitalen Nutzungsrealität.

Die 43 Medienphänomene des Gefährdungsatlas im Überblick (alphabetische Reihenfolge):

1. Algorithmische Empfehlungssysteme von Online-Inhalten23. Online-Pranger / Doxing
2. Bewerbung und Verbreitung gesundheitsgefährdender Substanzen am Beispiel Legal-Highs24. Online-Werbung und Werbeverstöße
3. Cybergrooming25. Pornografie und Unsittlichkeit
4. Cybermobbing (auch Cyberbullying)26. Pro-Ana- / Pro-Mia- / Pro-ES-Inhalte
5. Cybersex27. Profilausbildung und -auswertung
6. Cyberstalking28. Propaganda und Populismus
7. Darstellungen von Kindern und Jugendlichen als Sexualobjekte29. Remix- und Sharing-Kultur (Urheberrechtsverletzungen)
8. Digitale Spiele30. Selbstverletzendes Verhalten
9. Extremistische Inhalte31. Self-Tracking
10. Exzessive Selbstdarstellung32. Sexting
11. Fake News33. Sharenting
12. Fake-Profile bzw. Fake-Accounts34. Shitstorm
13. Fear of missing out35. Simuliertes Online-Glücksspiel
14. Gesundheitsgefährdende Challenges36. Smart Speaker und vernetztes Spielzeug
15. Hate Speech37. Streaming / non-linearer Zugang zu Bewegtbildern und Audiodateien
16. Identitätsdiebstahl / "gehackt werden"38. Suizidforen
17. Immersives Erleben durch Virtual Reality39. Tasteless-Angebote
18. Influencerinnen und Influencer40. Trolling
19. Internetsucht und exzessive Nutzung41. Überzeichnete Geschlechterrollen
20. Kettenbriefe42. Verschwörungserzählungen
21. Kontakt- und Dating-Apps43. Viren und Schadprogramme
22. Kostenfallen

Rechtliche und pädagogische Einordnungen zum Verhältnis von Schutz, Befähigung und Teilhabe im Kinder- und Jugendmedienschutz

Die aktualisierte kinderrechtliche Einordnung thematisiert relevante gesetzliche Entwicklungen durch die Novelle des Jugendschutzgesetzes 2021 sowie Teilhabe- und Schutzrechte von Kindern und Jugendlichen. Hierin erfolgt auch eine erste Einordnung des nun als Schutzziel im Jugendschutzgesetz verankerten Begriffs der Persönlichen Integrität. Ergänzend enthält die 2. Auflage, korrespondierend mit dem kinderrechtlichen Diskurs, eine pädagogische Einordnung. Hierbei werden verschiedene Ansatzpunkte für die Fortgestaltung des erzieherischen, technischen und gesetzlichen Kinder- und Jugendmedienschutzes thematisiert. Dazu zählen unter anderem eine Kinder- und Jugendbeteiligung, die Relevanz von Befähigung neben Schutz für eine unbeschwerte Teilhabe oder Supportive Designs als Gestaltungsprinzip von Online-Diensten als eine Konkretisierung des Prinzips Safety by Design. Zudem enthält die Publikation Erkenntnisse aus den Diskursen der ZUKUNFTSWERKSTATT Veranstaltungen der vormaligen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (nun BzKJ) über die Sozialisationsziele in einer mediatisierten Gesellschaft.

Der Gefährdungsatlas als Grundlage für ein intelligentes Chancen- und Risikomanagement

Die im Gefährdungsatlas stattfindende Auseinandersetzung schafft eine inhaltliche Wissensbasis für sämtliche Akteurinnen und Akteure der Verantwortungsgemeinschaft für ein gutes Aufwachsen mit Medien. Die Verantwortungsgemeinschaft hat zum Ziel, sinnvolle Wege der Gefährdungsbegegnung im Rahmen der institutionellen und rechtlichen Zuständigkeiten weiterzuentwickeln und auszugestalten. Vertreten wird hierbei der Anspruch „vom Kind aus zu denken“, wodurch ein Perspektivwechsel im Kinder- und Jugendmedienschutz unterstützt wird. Von Bedeutung ist hierfür die kinderrechtliche Perspektive auf die Medienphänomene und Gefährdungen: Aus der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (VN-KRK) leiten sich Rechte auf Schutz, Befähigung und Teilhabe ab, die auch für den Kinder- und Jugendmedienschutz zentral sind.

Der Gefährdungsatlas steht Ihnen digital unter der Rubrik „Service“ und dort unter „Publikationen“ zum kostenlosen Download zur Verfügung.