Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz 70 Jahre Jugendschutzgesetz

Das Comic-Heft „Der kleine Sheriff Nr. 12 – Verwegene Jagd“ war das erste Medium, das auf Grundlage des „Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ indiziert wurde. Grund dafür waren die darin enthaltenen Gewaltdarstellungen. In den vergangenen sieben Jahrzehnten haben sich die Sehgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen an neue Medienformate angepasst, ihre Medienkompetenz hat sich verändert und gesellschaftliche Diskurse haben sich weiterentwickelt. Diese Entwicklungen hatten auch Auswirkungen auf die Spruchpraxis in Indizierungsverfahren. Ziel der Entscheidungen war jedoch damals wie heute: Kinder und Jugendliche vor Gefährdungen durch die Mediennutzung zu schützen und ihnen eine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu ermöglichen.

Gleiches Schutzziel bei neuer Gefährdungslage

Nicht der Kernauftrag des Gesetzgebers hat sich also seither verändert, sondern die Gefährdungslage: Comics aus dem Kiosk nebenan spielen im Alltag von jungen Menschen zwar immer noch eine Rolle. Viel wichtiger sind für sie heute aber digitale Dienste wie soziale Netzwerke oder Video-Sharing-Plattformen auf den Smartphones in der Hosentasche. Damit einher gehen völlig neue Risikodimensionen, denen der Kinder- und Jugendmedienschutz mit neuen Ansätzen begegnen muss.
Über mehrere Novellierungsprozesse hinweg hat sich das „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ deshalb in den vergangenen 70 Jahren hin zu dem Jugendschutzgesetz entwickelt, das heute Arbeitsgrundlage für die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ist.

Gesetzesnovellierung mit innovativen Ansätzen

Indizierungen sind auch in der heutigen Version des Gesetzes noch ein wichtiges Instrument zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Medieninhalten. Neu eingeführt wurde mit der letzten Novellierung im Jahr 2021 unter anderem die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche auch vor Risiken zu schützen, die durch Interaktion im digitalen Raum entstehen – beispielsweise sexuelle Gewalt und Belästigung online, Cybermobbing oder politische Radikalisierung. Solche Interaktionsrisiken können nun bei Indizierungsverfahren berücksichtigt werden und neben inhaltlichen Risiken ein Grund dafür sein, dass ein Medium als jugendgefährdend eingestuft wird. Außerdem sind Anbieter von relevanten digitalen Diensten verpflichtet, strukturelle Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen bereitzuhalten. Das können unter anderem Meldesysteme, Elternbegleitungstools oder sichere Voreinstellungen sein.

Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz beaufsichtigt diese Vorsorgemaßnahmen und hat darüber hinaus den Auftrag erhalten, die stetige Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendmedienschutzes durch verschiedene Maßnahmen zu fördern. Die Vernetzung aller relevanten Akteurinnen und Akteure in dem Themenfeld gehört genauso dazu wie die Entwicklung von Förderprogrammen und von Orientierungshilfen für Eltern, Fachkräfte sowie Kinder und Jugendliche. Diese neuen Ansätze des heutigen Jugendschutzgesetzes ermöglichen einen Kinder- und Jugendmedienschutz, der den Kinderrechten auf Schutz, Befähigung und Teilhabe gerecht wird und effektives Reagieren auf Veränderungen in einer sich dynamisch entwickelnden Medienwelt zulässt.