Was ist Demokratiefähigkeit?
Damit Demokratien funktionieren, sind mündige und kompetente Bürgerinnen und Bürger eine grundlegende Voraussetzung. Die hierzu notwendigen Kompetenzen werden unter dem Begriff „Demokratiefähigkeit“ zusammengefasst.
Nach dem „Kompetenzmodell für eine demokratische Kultur“ des Europarats setzt sich Demokratiefähigkeit aus vier zentralen Dimensionen zusammen:
- Werte
Demokratiefähigkeit basiert auf der Anerkennung und Wertschätzung grundlegender demokratischer Prinzipien wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit. Diese Werte zu verstehen und zu schätzen, ist die Grundlage für aktives Engagement in einer Demokratie. - Haltungen
Demokratiefähigkeit erfordert eine offene Haltung gegenüber Vielfalt und unterschiedlichen Meinungen. Es geht darum, Respekt vor der Meinung anderer zu entwickeln und diese konstruktiv in Diskussionen einzubringen. - Fähigkeiten und Fertigkeiten
Für Demokratiefähigkeit ist es entscheidend, eigene Standpunkte zu formulieren und die Argumente anderer zu verstehen. Dazu gehört auch das kritische Hinterfragen von Informationen und die Fähigkeit zur Problemlösung in komplexen, gesellschaftlichen Fragen. - Wissen und kritisches Denken
Demokratiefähigkeit setzt voraus, dass Bürgerinnen und Bürger grundlegendes Wissen über politische Prozesse und Strukturen besitzen. Gleichzeitig müssen sie in der Lage sein, Informationen zu prüfen und kritisch zu bewerten, um sich nicht von manipulativen oder falschen Inhalten beeinflussen zu lassen.
Da Werte und Haltungen zunehmend über digitale Medien beeinflusst werden, ist Medienkompetenz ein zentraler Bestandteil von Demokratiefähigkeit, insbesondere mit Blick auf die Bewertung und Einordnung digitaler Inhalte.
Wie wird Demokratiefähigkeit im digitalen Raum gefährdet?
Digitale Medien bieten zahlreiche Chancen wie schnellen Zugang zu Informationen, eine breite Meinungsvielfalt und die Möglichkeit, sich aktiv politisch zu beteiligen. Gleichzeitig gibt es auch Risiken, die die Demokratiefähigkeit gefährden können. Dazu zählen unter anderem Desinformation/Fake News, Hate Speech und extremistische Inhalte:
- Desinformation/Fake News
Unter dem Begriff Desinformation werden vor allem verschiedene und gezielte Maßnahmen der systematischen Verbreitung von Falschinformationen über das Internet verstanden – vor allem über soziale Netzwerke. Dafür gibt es unterschiedliche Motive: In einigen Fällen geht es darum, mit reißerischen Überschriften viele Klicks zu erzeugen und dadurch Werbeeinnahmen zu generieren. In anderen Fällen wird gezielt versucht, Meinungen und Einstellungen zu beeinflussen. Dabei kommen immer häufiger auch täuschend echt wirkende, mittels Künstlicher Intelligenz erstellte Bilder und Videos zum Einsatz.
Eine Sonderauswertung der PISA-Studie 2022 hat ergeben, dass knapp 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland verschiedene Online-Quellen miteinander vergleichen. Knapp 63 Prozent trauen dem, was sie online lesen, nicht. Ein Drittel (33,7 Prozent) teilt Inhalte über Social Media, ohne diese zuvor auf Richtigkeit geprüft zu haben.
- Hate Speech
Auch Hate Speech kann sich auf die Demokratiefähigkeit und den digitalen Diskurs auswirken. Durch die eher indirekte Kommunikation im Internet fällt es mitunter leichter, beleidigend aufzutreten. In der rein schriftlichen Kommunikation kommt es zudem schneller zu Missverständnissen, unter anderem weil Gestik und Mimik fehlen. Durch hohe Reichweiten und einfache Verbreitungsmöglichkeiten, teilweise auch automatisiert über sogenannte Bot-Accounts, ist meist schwer abschätzbar, ob massiv vertretene Meinungen oder sogar Hass der Mehrheitsmeinung entsprechen – oder tatsächlich nur von einigen wenigen verbreitet und geteilt werden. Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich immer weniger Menschen am Online-Diskurs beteiligen und Gegenstimmen ausbleiben.
Weiterführende Informationen zum Thema Hate Speech bietet die Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“.
- Extremistische Online-Inhalte
Oft sind diese Inhalte jugendaffin und professionell gestaltet und auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen. Vielfach wird dabei versucht, Kinder und Jugendliche schrittweise zu radikalisieren und die Online-Kommunikation von großen, öffentlichen Angeboten wie beispielsweise Social-Media-Plattformen in kleinere, eher private Kommunikationsräume wie beispielsweise Messenger-Dienste zu verlagern.
Weiterführende Informationen zu den Themen Extremismus und Radikalisierung bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
Detaillierte Informationen zu den die Demokratie gefährdenden Risiken finden sich in der von der BzKJ veröffentlichten Publikation „Gefährdungsatlas“.
Wie schützt die BzKJ die Demokratiefähigkeit von Kindern und Jugendlichen?
Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) setzt sich dafür ein, die Demokratiefähigkeit von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum zu schützen und zu fördern:
- Indizierung
Die bei der BzKJ angesiedelte Prüfstelle für jugendgefährdende Medien führt auf Antrag oder Anregung hierzu berechtigter Stellen Indizierungsverfahren zu potenziell jugendgefährdenden Medien durch. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche vor solchen Medien zu schützen, die ihre Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefährden könnten. Hierzu zählen zum Beispiel Medien, die zum Rassenhass oder Gewalt anreizen, Menschengruppen diskriminieren oder auch die Demokratiefähigkeit von Kindern und Jugendlichen gefährden.
- ZUKUNFTSWERKSTATT: Zusammenarbeit mit Plattformanbietern sowie Expertinnen und Experten
Im Schwerpunkt „Gefährdung der Demokratiefähigkeit“ des Diskursformats ZUKUNFTSWERKSTATT werden extremistische Strategien und Phänomene wie Hate Speech, Verschwörungserzählungen, Propaganda, Populismus oder Fake News in den Blick genommen. Im engen Austausch mit Anbietern von sozialen Netzwerken sowie Expertinnen und Experten wird erarbeitet, wie passende Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen innerhalb der Dienste gestaltet sein müssen.
- Aufklärung und Orientierung
Die BzKJ bietet Eltern, Fachkräften, Kindern und Jugendlichen Orientierung für eine möglichst sichere Mediennutzung. Eine wichtige Grundlage für ihre Arbeit bildet der Gefährdungsatlas. Die Publikation listet aktuell 43 Medienphänomene mit Gefahrenpotenzial für Kinder und Jugendliche.
In der behördeneigenen Fachzeitschrift BzKJAKTUELL veröffentlicht die BzKJ die öffentliche Liste der indizierten Medien und greift in Fachartikeln aktuelle Entwicklungen im Bereich des Kinder- und Jugendmedienschutzes auf. Die BzKJAKTUELL 2/2023 widmete sich dem Thema „Wahrung der Demokratiefähigkeit als Aufgabe des Kinder- und Jugendmedienschutzes“.
Die BzKJAKTUELL 3/2025 behandelt das Thema „Islamistische Inhalte und Ansprachen im digitalen Raum: Kanäle, Strategien und jugendkulturelle Anknüpfungspunkte“.
- Beirat
Die BzKJ wird bei der Erfüllung ihrer Aufgaben von einem Beirat beraten. Zwei der zwölf Beiratsmitglieder sind Jugendliche, womit die BzKJ dem Kinderrecht auf Teilhabe Rechnung trägt. Diese Form der Partizipation ermöglicht es jungen Menschen, ihre Interessen und Perspektiven im direkten Austausch mit anderen zu vertreten und in die Arbeit der BzKJ einfließen zu lassen. In der Beiratssitzung im September 2024 lag der Themenfokus auf „Gefährdung der Demokratiefähigkeit“.
- KidD
Die bei der BzKJ eingerichtete und unabhängige „Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten“ (KidD) überprüft digitale Dienste mit Sitz oder einer Vertretung in Deutschland auf Risiken für Minderjährige. Dadurch stellt sie sicher, dass die Anbieter ihrer Verantwortung und Pflicht zum Kinder- und Jugendmedienschutz nachkommen und mit unter anderem strukturellen Vorsorgemaßnahmen gegen Fake News und andere Gefährdungen der Demokratiefähigkeit vorgehen.
Wie können Fake News, Verschwörungserzählungen und andere problematische Inhalte erkannt werden?
Fake News zeichnen sich oft durch reißerische, dramatisierende und stark emotionalisierende Bilder, Texte und Überschriften aus. Hierdurch wird ein Verbreiten, Liken und Weiterleiten entsprechender Inhalte wahrscheinlicher. Unterstützt von Künstlicher Intelligenz (KI) können Fake News immer schneller und gleichzeitig auch immer professioneller erstellt und verbreitet werden. Hierdurch wird ein Erkennen zunehmend erschwert – nicht nur für Kinder und Jugendliche. Zudem können immer realistischere KI-generierte Bilder und Videos, sogenannte Deep-Fakes, die Wirksamkeit von Informationen noch einmal deutlich unterstützen und ein Erkennen erschweren.
Bevor auf den ersten Blick besonders spannende Nachrichten geteilt und verbreitet werden, sollte daher immer noch einmal innegehalten und geprüft werden: Wer ist die Quelle? Sind die Informationen auch noch auf anderen Internetseiten zu finden? Um den Wahrheitsgehalt von Informationen zu prüfen, können beispielsweise Checklisten helfen. Im Zweifel sollte zudem auf ein Liken oder Teilen der Inhalte verzichtet werden.
Auch in Verschwörungserzählungen werden Fake News in vielen Fällen gezielt genutzt, um bestimmte Ansichten zu verbreiten. Diese Erzählungen sind häufig vom Misstrauen gegenüber gesellschaftlichen Gruppen und Personen geprägt, die angeblich verdeckt und mit bösen Absichten handeln. Weitere Kennzeichen von Verschwörungserzählungen sind ein absoluter Wahrheitsanspruch und klar benennbare Feindbilder.
Wie können problematische Inhalte in digitalen Angeboten eingedämmt werden?
Nutzerinnen und Nutzer können durch technische, pädagogische und regulatorische Maßnahmen dazu beitragen, dass rechtswidrige oder gegen die jeweiligen Plattformregeln verstoßende Inhalte weniger verbreitet werden.
Grundsatz: Melden statt Liken
Wichtig ist, dass problematische Inhalte über die bereitgestellten Funktionen der Angebote gemeldet und nicht geliked oder geteilt werden. Dabei sollte bedacht werden, dass nicht jeder als problematisch wahrgenommene Inhalt tatsächlich auch rechtswidrig ist oder gegen die Regeln der jeweiligen Plattform verstößt. Gerade in Demokratien ist Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Entsprechend ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, inwieweit die Grenzen der Meinungsfreiheit mit Blick auf andere Rechte überschritten sind und das Entfernen eines Inhalts gerechtfertigt ist. Aber auch in Zweifelsfällen können entsprechende Inhalte zur Überprüfung gemeldet werden.
Für Kinder und Jugendliche ist es zudem wichtig zu wissen, dass sie sich bei Gegenmaßnahmen nicht selbst in Gefahr bringen sollten. Wer auf Hass mit Gegenrede reagiert, kann selbst Ziel von Angriffen werden. Zudem sollten Nutzerinnen und Nutzer auch regelmäßig kritisch hinterfragen, ob das eigene Auftreten im Internet und der eigene Ton passend und angemessen sind.
Weiterführende Informationen und Linktipps
Informationen der BzKJ
- Gefährdungsatlas. Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln.
- ZUKUNFTSWERKSTATT: Gefährdung der Demokratiefähigkeit
- Fachbeitrag BzKJAKTUELL „Dynamiken bei der Online-Radikalisierung von Jugendlichen“
- Fachbeiträge der BzKJAKTUELL 2/2023 zum Thema „Wahrung der Demokratiefähigkeit als Aufgabe des Kinder- und Jugendmedienschutzes“
- Fachbeiträge der BzKJAKTUELL 3/2025 zum Thema „Islamistische Inhalte und Ansprachen im digitalen Raum: Kanäle, Strategien und jugendkulturelle Anknüpfungspunkte“
- KidD: Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten
Linktipps
- Amadeu Antonio Stiftung
- Bundeszentrale für politische Bildung – Abbildung Fake News erkennen
- Bundeszentrale für politische Bildung – Bereich zu Desinformation
- Bundeszentrale für politische Bildung – Bereich Extremismus und Radikalisierung
- Bundeszentrale für politische Bildung – Radikalisierung: Gründe & Verlauf
- CORRECTIV.Faktencheck
- Demokratie leben!
- Faktencheck bei dpa
- GAmM Themen-Newsletter: Fakten statt Fakes: Medienkompetenz für eine starke Demokratie͏
- GAmM Demokratie unter Druck: Deepfakes, Desinformation, Hass und Extremismus im Netz
- Handysektor – Infografik „Fake News erkennen“
- HateAid
- Internet-ABC – Themenmonat Fake News für Kinder von 5 bis 12 Jahren
- Internet-ABC – für Eltern und Internet-ABC für Lehrkräfte
- Internet-ABC – Interaktive Lernmodule für die Klassen 3 bis 6
- JUUUPORT – Online-Beratungsplattform für junge Menschen bei Problemen im Netz
- klicksafe – Medien und Materialien für die pädagogische Praxis
- klicksafe – Online-Quizze unter anderem zu Deepfakes und Verschwörungserzählungen
- klicksafe – von Deepfakes bis Fake News
- klicksafe –Informationskompetenz & Quellenkritik
- klicksafe - Demokratiebildung
- Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz – Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“
- Landesanstalt für Medien NRW – Kampagne „Vertrau mir“
- SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.